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Titelthema

Wege zu einem besseren Leben

Eine Medizin fürs Glücklichsein gibt es nicht. Doch mit den richtigen Übungen lässt sich die eigene Glücksfähigkeit steigern.

Stefan Klein 01.01.2018

Seit jeher zerbrechen sich die Menschen darüber die Köpfe, wie man das Glück erreichen kann. Fast al­les, was sich über eine kluge Lebens­führung und den Umgang mit Gefühlen sagen lässt, wurde von einem weisen Menschen irgendwann auch gesagt – nur leider behauptete schon bald darauf ein anderer das Gegenteil. Zwei Jahrtausende Philoso­phie, mehr als ein Jahrhundert Psychologie und eine Flut von Ratgeberbüchern haben uns daher in Sachen Glück kaum klüger gemacht. In den beiden letzten Jahrzehnten allerdings sind die Gefühle ein Gegenstand der Naturwissenschaft gewor­den. Diese Forschung verspricht neue Wege aufzuzeigen, auf denen jeder sein Glück finden kann.

Glück ist nach Auffassung der heutigen Neuropsychologie ein elementares Gefühl – ein Signal, das die Evolution erfunden hat, um uns zu zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit Glücksgefühlen verführt die Natur uns dazu, Dinge zu tun, die gut für uns sind. So lernen wir, welche Situationen wir suchen und herstellen sollen. Was Nahrung, Sex und menschliche Nähe verspricht, dorthin lockt uns die Hoffnung auf Momente des Glücks. Negative Emotionen funktionieren genau umgekehrt – Angst etwa bringt uns dazu, Gefahren zu vermeiden.

Botenstoffe fürs Gehirn
Glück ist viel mehr als nur die Abwesenheit von Unglück. In den letzten Jahren hat die Hirnforschung gezeigt, dass in unseren Köpfen eigene Schaltungen für Freude, Lust und Euphorie eingerichtet sind – wir haben ein biologisches Glückssystem. Es funktioniert, indem im Gehirn spezielle Botenstoffe wie Endorphine und Dopa­min freigesetzt werden. So, wie wir mit der Fähigkeit zu sprechen auf die Welt kommen, sind wir auch für die guten Gefühle programmiert. Glück ist lebensnotwendig.

Die Mechanismen, die solche Emotionen hervorrufen, sind angeboren. Doch wie und wie oft wir sie gebrauchen, haben wir in der Hand. Glück kann man lernen. Eine der großen Überraschungen der Neurowissenschaft der letzten Jahre war, wie sehr sich das Gehirn auch eines Erwachsenen noch verändert. Wann immer wir etwas lernen, verändern sich die Schaltkreise in unserem Gehirn, neue Maschen im Geflecht der Nervenzellen werden ge­knüpft. Nicht nur Gedanken, sondern erst recht Emotionen bringen diese Umbauten in Gang. Das heißt: Mit den richtigen Übungen, etwa durch Schulung der Aufmerksamkeit, kann man seine Glücks­fähigkeit steigern. Wir können unsere natürliche Anlage für die guten Gefühle trainieren, so, wie wir uns eine Fremdsprache aneignen.

Im Gehirn sind Gedanken und Ge­fühle wie zwei Seiten derselben Medaille. Weil Glück und Lernen zusammenhängen, sind wir in diesem Zustand kreativer. Glück macht klug, und zwar nicht nur für einen Augenblick, sondern auf Dauer. Positive Emotionen lassen die Nervenverbindungen im Gehirn wachsen. „The brain runs on fun“, sagen die Amerikaner.

Wozu Glück gut ist
Glückliche Menschen lösen Probleme bes­ser und schneller. Sie sind aufmerksamer und eher bereit, das Gute in anderen zu sehen. Sie setzen sich mehr für das Gemeinwohl ein und schaffen es bei Ver­hand­lungen besser, allen Beteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen. Glück ist also ein ­Lebensziel und zugleich ein Weg zum besseren Leben. „Freude ist der Übergang des Geistes in einen perfekteren Zustand“, schrieb Baruch Spinoza.

Wie und warum die guten Gefühle ent­stehen, ist von der Evolution vorgegeben. Doch je nach Kultur, Lebensgeschichte und individuellen Anlagen füllt jeder diesen Rahmen etwas anders aus. Die wichtigste Übung auf dem Weg zum Glück ist darum diejenige, sich selbst kennenzulernen. Es gibt sechs Milliarden Menschen, und sechs Milliarden Wege zum Glück.

Stefan  Klein
Prof. Dr. Stefan Klein ist Physiker, Philosoph und einer der erfolgreichsten Wissenschaftsautoren deutscher Sprache. Sein Buch „Die Glücksformel“ (2002) stand über ein Jahr auf allen Bestsellerlisten. Zuletzt erschien „Das All und das Nichts. Von der Schönheit des ­Universums“ (S.Fischer 2017).
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